Sind Inder die „besseren“ Migranten für Europa?

Die Debatte über Migration erhitzt die Gemüter. Der linken Seite des politischen Spektrums wird vorgeworfen, sie fordere offene Grenzen und verschließe die Augen vor Problemen, wie mangelnde Integration in den Arbeitsmarkt und Parallelgesellschaften1. Der rechten Seite wird nachgesagt, sie wollten eine Mauer rund um Europa ziehen und zurück in die 50er Jahre, mindestens. Die Tatsache, dass in der öffentlichen Diskussion oft Asylmigration und qualifizierte, gesteuerte Zuwanderung in einen Topf geworfen und vermischt werden, macht einen sinnvollen Diskurs oft unmöglich.

Geographie, Demographie & die Angst vor dem Unbekannten

Einen differenzierten Blick auf das Thema Migration täte in diesen Zeiten jedenfalls gut. Deutschland und Österreich sind, schon auf Grund der geographischen Lage, Einwanderungsländer. Punkt. Mit allen Vor- und Nachteilen.

Schon allein unsere Demografie macht Migration notwendig.2 Zwar kann man durch Bildungsinitiativen, der Steigerung der Arbeitsproduktivität und der Erwerbsbeteiligung der demografischen Entwicklung entgegenwirken. Trotzdem wird es zusätzliche Einwanderung von Arbeitskräften brauchen, um Wirtschaft, Gesellschaft und unsere Rentenversicherung am Laufen zu halten. Das müssen auch viele Skeptiker zugeben.

An den Stammtischen dieses Landes höre ich oft „na klar, Menschen, die deine Frau, können selbstverständlich ins Land kommen, ich will nur keine …“ Objektiv sind diese Äußerungen selbstverständlich nicht. Sie deuten aber auf die weit verbreitete „Angst vor dem Unbekannten“ hin, die in Menschen Widerstand provoziert. Fakt ist aber, dass in der normalen, nicht-woken Bevölkerung gerne zwischen „willkommenen“ und „nicht willkommenen“ Migranten unterschieden wird.

Indische und europäische Werte sind kompatibel

Da ich jetzt nicht für alle Migranten in Europa Wort ergreifen will und kann, möchte ich in diesem Artikel trotzdem Position für „meine Inder“ beziehen und argumentieren, warum mehr qualifizierte Zuwanderung aus Indien wünschenswert und erfolgsversprechend ist. Ich begründe das pragmatisch mit den Werten, die Europa und Indien verbinden.

Vielfalt und Offenheit schaffen Toleranz und Frieden

Indien und Europa teilen einige bemerkenswerte Ähnlichkeiten. Beide Kontinente können auf eine reiche kulturelle Vielfalt verweisen, die ihre Identitäten prägt. In Indien spiegelt sich dies, wie in Europa, in der Koexistenz verschiedener Sprachen, Religionen und Traditionen wider. Beide Regionen haben eine lange Geschichte der kulturellen Interaktion und des Austauschs.

Indien hat in seiner 5000-jährigen Geschichte bewiesen, wie gut es darin ist, neue kulturelle Einflüsse friedlich zu integrieren (während wir in Europa einige der blutigsten Kriege aller Zeiten gekämpft haben). Gandhi hat den indischen Wert der Gewaltlosigkeit (Ahimsa) im Rest der Welt populär gemacht. Indien verfolgt(e) keine aggressive, expansive geopolitische Agenda, sondern hat in seiner Geschichte meist den Ausgleich der Interessen gesucht (Stichwort Blockfreiheit).

All das zeugt von einer toleranten und offenen Einstellung gegenüber anderen Kulturen, erleichtert den sozialen Zusammenhalt und minimiert Konflikte.

Säkularismus & religiöse Toleranz

Das Prinzip des Säkularismus ist fest in der indischen Verfassung verankert. Das bedeutet die Trennung von Religion und Staat, sowie die gleichberechtigte Behandlung aller religiösen Gemeinschaften, ohne dabei eine bestimmte Religion zu bevorzugen. Dieses Prinzip trägt dazu bei, eine pluralistische Gesellschaft zu schaffen, in der jeder Bürger unabhängig von seiner religiösen Zugehörigkeit gleiche Rechte und Freiheiten genießt. Das entspricht also ganz der europäischen, humanistischen Tradition und unterscheidet Indien von den meisten anderen Herkunftsländern, die religiös und wenig(er) demokratisch geprägt sind.

Menschenrechte & Demokratie

Der „Westen“ ist schon öfter ausgezogen, um Menschenrechte und Demokratie in andere Ecken der Welt zu „exportieren“ – mit bescheidenem Erfolg. In Indien ist eine derartige Intervention allerdings nicht notwendig. Nicht umsonst wird oft von der größten Demokratie der Welt gesprochen.

Der Wert der (indischen) Demokratie liegt nicht nur in der politischen Mitbestimmung, sondern auch in der Stärkung der Grundrechte und der Möglichkeit, Vielfalt und Pluralismus in einem Land mit zahlreichen kulturellen, ethnischen und religiösen Gemeinschaften zu schützen. Inder sind also vertraut mit den Vorteilen unseres Gemeinwesens und daher absolut kompatibel mit unseren demokratischen Werten.

Bildung. Bildung. Bildung.

In der indischen Gesellschaft genießt der Wert der Bildung einen herausragenden Stellenwert und wird quer durch alle Schichten als Grundlage für individuellen Erfolg und gesellschaftlichen Fortschritt betrachtet. Das Streben nach Wissen und Bildung ist tief in der indischen Kultur verankert. Eltern investieren oft erhebliche Ressourcen in die Ausbildung ihrer Kinder (was bei uns unvorstellbar ist. Europäer gehen schon bei 500 Euro Studiengebühr pro Semester auf die Straße).

Der Wert der Bildung ist eine der Hauptursachen für die erfolgreiche Integration indischer Migranten. Viele Inder, die nach Europa kommen, bringen Qualifikationen in Bereichen wie Ingenieurwesen, Informationstechnologie und Naturwissenschaften mit. Diese Fähigkeiten erleichtern nicht nur den Zugang zum Arbeitsmarkt, sondern tragen auch dazu bei, den Wohlstand im neuen Gastland zu steigern.

Fazit & wirtschaftlicher Beitrag

Es gibt also eine ganze Reihe von gemeinsamen Werten, die beweisen, dass sich Menschen aus Indien in unserem Wertesystem zuhause fühlen und in Europa gut integrieren können. Über diese gemeinsame Wertebasis hinaus, leisten indische Migranten auch noch einen überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Beitrag. Sie tragen dazu bei, den Fachkräftemangel in verschiedenen Sektoren zu mildern und tragen durch zur wirtschaftlichen Prosperität bei.

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Quellen

  1. https://www.focus.de/politik/deutschland/gastbeitrag-von-gabor-steingart-zehn-fakten-zur-migration-die-buerger-zu-recht-beunruhigen_id_191511874.html ↩︎
  2. https://www.diepresse.com/6098574/verzerrte-wahrnehmung-und-notwendige-zuwanderung ↩︎

Foto: Hari Mangayil, CC0, via Wikimedia Commons

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von

Wolfgang Bergthaler