Indische IT Expertise

Indische IT-Expertise: Eine Chance für unseren Arbeitsmarkt

Europa ist mit einem strukturellen Arbeits- und Fachkräftemangel konfrontiert. In den kommenden Jahren verabschieden sich die letzten Baby-Boomer vollständig aus dem Arbeitsmarkt. Dieser Mangel ist durch die Jugend bei weitem nicht zu decken. Dazu haben sich seit (spätestens) Corona auch die Wünsche der Arbeitnehmer:innen erhöht. In Zeiten von „New Work“ wollen eher weniger Arbeitsstunden pro Mitarbeiter geleistet werden, was die Gesamtsituation am Arbeitsmarkt noch zusätzlich verschärft.

Auch wenn quer durch alle Branchen Personal gesucht wird, ist es wohl der IT-Sektor, der besonders davon betroffen ist. Es ist ja gerade die Digitalisierung der Wirtschaft, die vorangetrieben werden muss. Auf den einschlägigen Jobportalen kann man sich ein Bild davon machen, wie viele Fachkräfte in diesen technischen Berufen fehlen.

Indien als Reservoir für IT-Experten

Indien hat sich in den letzten 25 Jahren einen hervorragenden Ruf im Bereich der Informationstechnologie (IT) aufgebaut. Das Land in Südasien verfügt über mindestens drei bis fünf Millionen IT-Fachkräfte. Zusätzlich produziert Indien Hunderttausende von Absolventen im Bereich der „MINT-Fächer“, die jedes Jahr neu in den Arbeitsmarkt entlassen werden.1

Die Branche wurde durch den Export von IT-Dienstleistungen (im Wert von 320 Milliarden Dollar im Jahr 20232) ein „global player” und verfügt heute auch über eines der größten und dynamischsten Startup-Ökosysteme der Welt.

Indische Programmierer und Software-Spezialisten sind aber auch weltweit gefragt.

In den USA arbeiten etwa eine Million Inder:innen als Ingenieure und Wissenschaftler. Im Silicon Valley stellen sie, gemessen an der Gesamtbevölkerung, eine überdurchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter:innen in den internationalen Technologieunternehmen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die CEOs von Alphabet (Google), Microsoft, IBM, Adobe allesamt in Indien geborene Ingenieure sind. Aus der Masse kommt die Klasse. Und der Wettbewerb in Indien ist knallhart und die Menschen überdurchschnittlich leistungsorientiert.

Aber auch Europa profitiert immer mehr von indischen Arbeitskräften, insbesondere Deutschland, wo die Zahl der indischen Einwanderer (erster Generation) mittlerweile bei 198.000 liegt.3

Bemerkenswert ist, dass laut dem Institut der deutschen Wirtschaft, das mittlere(!) Monatseinkommen bei Indern (in Deutschland) bei 4.974 Euro brutto liegt – im Vergleich zu 3.643 Euro, die sozialversicherungspflichtige Deutsche in einem Vollzeitjob durchschnittlich verdienen.4 Von den in Deutschland lebenden Indern arbeitete mehr als ein Drittel (34,2 Prozent) in akademischen MINT-Berufen, also in Berufen mit überdurchschnittlichen Gehältern.

Personalmarketing in Indien: Wie kommt man an indische IT-Experten?

Indische IT-Spezialisten könnten also auch einen aktiven Beitrag leisten, den strukturellen Fachkräftemangel bei uns zu lindern. Personalabteilungen könnten sich also damit beschäftigen, ihr Unternehmen und die offenen Stellen aktiv in Indien zu vermarkten, zum Beispiel mittels Social Recruiting Kampagne oder mit Hilfe einer Personalberatung vor Ort.

Wichtig ist in jedem Fall aber ein strukturiertes Vorgehen, sowie ein entsprechender Filter zur Qualitätssicherung. Denn indische Lebensläufe müssen erstmals gelesen und bewertet werden. Es kommt in der Regel nur ein Bruchteil der Bewerber:innen überhaupt für einen internationalen Einsatz in Frage. Ich empfehle ausschließlich Kandidat:innen, die mindestens drei bis fünf Jahre Berufserfahrung vorzuweisen haben, und die idealweise bereits Projekterfahrung im Ausland gesammelt haben. Es sind aber auch die sprachlichen, kommunikativen und interkulturellen Fähigkeiten, die passen müssen.

Wenn es gelingt aus der Masse die richtigen Leute herausfiltern kann, stehen diese hinsichtlich Produktivität europäischen Kolleg:innen in der Regel um nichts hinterher. Da indische Unternehmen i.d.R. viel größer und daher die Arbeit anders (kleinteiliger) organisiert ist, gibt es weniger Generalisten, sondern mehr Spezialisten.

Nun ist es natürlich so, dass gute Leute auch in Indien entsprechende Gehälter abrufen. Ein durchschnittliches Gehalt für einen Senior Full Stack Developer liegt bei über 1.000 EUR pro Monat.5 Bei entsprechender Erfahrung in teuren Städten und namhaften Unternehmen auch gerne mal das doppelte. Das ist bei den lokalen Lebenshaltungskosten durchaus attraktiv.

Selbstverständlich wissen die Inder, was man wo international verdient. Daher sind Länder mit hohen Einkommen, geringen Steuern und international bekannten Brands als Arbeitgebern hoch im Kurs. Da können Österreich und Deutschland meist nicht mithalten. Es gilt daher die Vorzüge unserer Work-Culture klar zu kommunizieren. Sicherheit, Lebensqualität sowie staatliche Leistungen (kostenloses Gesundheits- & Bildungssystem) stehen hoch im Kurs. Bei uns laufen die Dinge persönlicher und individueller als in anderen Märkten. Damit kann und muss man punkten – zum Beispiel im Recruiting, Pre- und Onboardingprozess. So kann man die neuen Kolleg:innen langfristig ans Unternehmen binden.

Zu diesen Themen findest du auf diesem Blog (demnächst) einige Anregungen und Expertentipps.

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Quellen:

  1. https://www.indische-wirtschaft.de/index.php/2017/07/18/it-fachkraftemangel/ ↩︎
  2. https://indbiz.gov.in/indias-software-exports-reach-us-320-billion-in-fy23/ ↩︎
  3. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Tabellen/migrationshintergrund-staatsangehoerigkeit-staaten.html ↩︎
  4. https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article237752183/gehalt-deutschland-inder-verdienst-ranking.html ↩︎
  5. https://www.payscale.com/research/IN/Job=Senior_Full_Stack_Software_Developer/Salary ↩︎

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Beitrag veröffentlicht

von

Wolfgang Bergthaler