Indien als Game Changer: Warum es Zeit ist, Grenzen zu sprengen

Die europäische Industrie befindet sich in der Krise. Warum es in der aktuellen Konjunkturflaute langfristig wirtschaftlich Sinn macht, den indischen Markt verstärkt ins Visier zu nehmen, habe ich hier bereits erörtert.

Wie IV-Chef Christian Knill im aktuellen ORF-Interview erklärte, führen die kräftigen Lohnerhöhungen zu Margendruck und sinkender Wettbewerbsfähigkeit. Im krassen Gegenzug dazu gibt es in China aktuell Überkapazitäten und Deflation, sodass das Reich der Mitte aggressiver auf den globalen Absatzmärkten agiert. Durch großzügige Subventionen und eine nationale Industriepolitik, unter dem Deckmantel des Klimaschutzes, (Stichwort Inflation Reduction Act) holen amerikanische Konzerne, relativ zu europäischen Unternehmen, in Sachen Wettbewerbsfähigkeit deutlich auf. Das alles bringt unsere Exporteure international deutlich unter Druck.

Senkung der Lohnstückkosten

Daher sollte man aktuell in Indien nicht nur vertrieblich einen Gang raufschalten, sondern auch prüfen, inwiefern Investitionen in Produktionsstätten und Entwicklungszentren wirtschaftlich Sinn machen. Denn Unternehmen, die in Indien über Fertigungs- und/oder Engineering-Kapazitäten verfügen, haben einen entscheidenden Vorteil in Bezug auf die (globalen) Lohnstückkosten.

So argumentierte im Dezember 2023 Viktor Sigl, CFO des Motorradherstellers KTM, den Stellenabbau im oberösterreichischen Stammwerk und die Verlagerung nach Indien (und China) mit der Notwendigkeit die Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern: „Die Zuliefersituation ist deutlich billiger als bei uns, und das bei einem deutlich niedrigeren Lohn- und Gehaltsniveau als in Europa.“ (Anm.:  KTM arbeitet eng mit dem strategischen Partner und indirekten Miteigentümer Bajaj Auto, dem weltweit drittgrößter Hersteller von Motorrädern, zusammen und fertigt viele KTM-Komponenten in den indischen Werken.)

Verfügbarkeit von Arbeitskräften

In Indien finden Unternehmen wie KTM eine hinreichend hohe Anzahl hochqualifizierter Fachkräfte, die zu vergleichsweise niedrigen Kosten verfügbar sind. Das ermöglicht Firmen mit Fertigungskapazitäten in Indien, ihre Lohnstückkosten zu optimieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Ein anderes, mir gut bekanntes Unternehmen aus dem Bereich der Infrastruktur, ist von der aktuellen konjunkturellen Delle nicht betroffen. Stattdessen leidet man im österreichischen Stammhaus besonders am Arbeitskräftemangel, was den globalen Wachstumskurs gefährdet. Daher hat man – vorausschauend schon vor vielen Jahren – entschlossen, gemeinsam mit einem Joint-Venture-Partner, eine Produktion in Indien hochzuziehen und die globale Expansion über Indien zu spielen.

Selbstverständlich sind auch in Indien die High-Performer rar. Aber es ist ein Vielfaches einfacher in Indien hundert neue Mitarbeiter zu rekrutieren, als das in Österreich je denkbar wäre.

Erschließung neuer Märkte

Durch Produktionskapazitäten und Entwicklungsabteilungen in Indien können Unternehmen besser auf die Bedürfnisse des indischen Marktes eingehen, maßgeschneiderte Lösungen anbieten und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen. Dies stärkt nicht nur die Marktposition in Indien, sondern ermöglicht auch eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene. So kann beispielsweise das o.g. Unternehmen die wichtigen Wachstumsmärkte im mittleren Osten, Afrika oder Südostasien mit in Indien gefertigten Produkten besser bedienen.

Digitale Transformation und Technologiekompetenz

In gewissen Industrien lohnt sich eine Präsenz in Indien ganz besonders. Branchen wie zum Beispiel Informationstechnologie, Pharma, Automobil und Elektronik haben in Indien florierende Ökosysteme und Branchencluster entwickelt, die Unternehmen eine breite Palette branchenspezifischer Expertise und Zugriff auf Fachkräfte (siehe oben) bieten.

Die junge indische Bevölkerung zeigt sich äußerst aufgeschlossen, was Technologie betrifft und zeichnet sich durch hohe Innovationsfähigkeit aus. Indien hat sich zu einem globalen Zentrum für digitale Transformation und Technologieentwicklung entwickelt. Die hohe Kompetenz in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Datenanalyse und Cybersecurity macht das Land zu einem attraktiven Standort für Unternehmen, die auf digitale Innovation setzen und dort forschen möchten. Das indische Startup-Ökosystem bietet vielleicht sogar Möglichkeiten für strategische Übernahmen von jungen, innovativen Technologieunternehmen.

Fazit: Alle Wege führen nach Indien!

Indien bietet also nicht nur wirtschaftliche Vorteile in Form von niedrigen Kosten und verfügbaren Arbeitskräften, sondern auch die einzigartige Gelegenheit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und ihre globale Präsenz zu erweitern. Die Senkung der Lohnstückkosten, die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften und die Erschließung neuer Märkte sind nur einige der wirtschaftlichen Argumente, die für eine Investition in Indien sprechen. Durch die Arbeit vor Ort in Indien können Unternehmen auch ihre Innovationskraft stärken und so nachhaltiges Wachstum sichern.

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Foto Credit: BMN Network – https://www.flickr.com/photos/152975694@N02/

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von

Wolfgang Bergthaler