Zu Besuch am Philips Innovation Campus, Bangalore (Teil 2)

Ich hatte letzten Montag die einzigartige Gelegenheit mit dem obersten R&D Chef von Philips in Indien eine Stunde über Innovation zu diskutieren. Der zweite Teil meiner Geschichte dreht sich um Reverse Innovation und Jugaad, die indische Form von “frugal innovation”.

Reverse Innovation: Von Bangalore nach Bamberg

Dr. Menhardt beschreibt den indischen Markt als weltweit einzigartige Kombination aus günstig(er)em Personal, Zugriff auf eine große Menge Ingenieuren sowie dem boomenden domestic market. Weil die Produkte aus dem Westen für die Masse aber immer noch zu teuer sind, müssen Unternehmen wie Philips Lösungen für Indien entwickeln, die leistbar sind und den hiesigen Konsumbedürfnissen entsprechen. Viele dieser Produkte, die ursprünglich für Indien entwickelt werden, finden immer öfter auch im Westen Abnehmer, auch wenn manchmal in etwas anderer Anwendung.

Wenn Innovationen aus/für Emerging Markets im Westen ankommen, spricht man von „Reverse Innovation“. Menhardt sieht darin ein Mega-Markt-Potential, das es zu heben gilt. Das Innovations-Zentrum in Bangalore hat bereits mehrere Produkte für Indien entwickelt, die auch gleichzeitig in Deutschland in den Markt eingeführt wurden. Als Beispiel dafür nennt er ein Ultraschallgerät, das in indischen Spitälern aber auch in kleinen privaten Ordinationen in Deutschland im Einsatz ist. Das Gerät kostet einen Bruchteil eines vergleichbaren Apparats (einer anderen Marke). Bei dieser Produktinnovation konnten die Philips-Ingenieure die üblichen 200 Kabel auf lediglich 8 reduzieren, was eine enorme Kosteneinsparung mit sich brachte. Die dafür zu Grunde liegende Technologie wurde zwar in einem Philips Labor in den USA entwickelt, kam aber für/in Indien zum ersten Mal zum Einsatz. „Das ist absolutes High-Tech“, erklärt Menhardt, „nur mit den neuesten Technologien können wir Lösungen für Indien entwickeln. Es geht nicht darum Funktionalität wegzulassen oder auf billig zu produzieren.“ und verweist auf die schwierigen Bedingungen in Indien. Die Produkte hier müssen sogar noch intelligenter sein, weil man in Indien nicht die Infrastruktur hat, wie wir sie im Westen kennen. Zum Beispiel sind hier Internet- und Stromversorgung nicht sicher gestellt.

Menhardt zeigt sich trotz dieser Erfolge noch unzufrieden: „Wir sind noch viel zu teuer! Wenn etwas in Europa 1000 Euro kostet, und wir es hier für Indien um 300 Euro entwickeln, reicht das nicht. Es muss auch um 100 Euro gehen!“ Dabei verweist er gerne auf den Tata Nano, das billigste Auto der Welt. Tata ist es gelungen einen Benchmark für eine ganze Industrie (und darüber hinaus) zu setzen, der bis dato unerreicht ist. Eine Vision, für die es sich lohnt zu arbeiten, wäre für ihn jedes Dorf in Indien mit hochwertigen medizinischen Apparaten von Philips auszustatten: High-Value zu low-price.

Telekommunikation bietet dafür die Schlüsseltechnologie. In den kommenden Jahren rechne er mit vielen Lösungen im Bereich der Tele-Medizin
. Der Haupt-Vorteil ist dabei, dass beim Patienten einfache Interfaces genügen, diese aber über mobile Netze mit einem High-End Backend-System kommunizieren und von professionellen Prozessen unterstützt werden. Damit könnte man medizinische Leistungen in alle 600.000 Dörfer Indiens bringen. Philips setzt in Zukunft stark auf mobile Technologien. Dabei sei man, laut Menhardt, auch durchaus an Akquisitionen interessiert, insofern sie die Marktposition von Philips stärken, weniger der Technologie wegen. Da setzt er ganz auf die in-house Kapazitäten von Philips.

Jugaad 2.0 = Indisches Improvisationstalent + deutsches Prozessmanagement

Menhardt will Produkte mit „more (value) for less (money) for more (people)“ entwickeln. Er lässt sich dabei von Jugaad inspirieren, der indischen Innovationsfähigkeit, die man vor allem am Land findet. Mit minimalen Ressourcen ein Maximum an Mehrwert herausholen. „Die Inder sind unglaublich innovativ und kommen auf Lösungen, die wir uns nicht vorstellen können“, erklärt Menhardt und setzt fort, „Um viele unkonventionelle Lösungen zu sourcen müssen wir in die Dörfer gehen und mit Lieferanten aus Kleinstädten zusammen arbeiten. Hier in Bangalore ist alles schon zu organisiert, zu professionell.“

Das Problem in Indien ist, dass Lösungen ad-hoc entstehen und der kreative Prozess absolut unstrukturiert läuft. Darin seien die Inder besonders gut. Menhardt will genau diese freie Kreativität fokussieren und kanalisieren. Er versucht die indische Innovationsfähigkeit, die (für uns) scheinbar chaotisch ist, mit Prozessen und Strukturen unterstützen und damit die Vorteile von beiden Welten (Europa und Indien) kombinieren.

(Wolfgang Bergthaler)

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