Wolfgang Bergthaler über Outsourcing nach Indien

Fortschritt durch Ungleichheit, aber mit Fairness

Die britischen Forscher Richard Wilkinson und Kate Pickett argumentieren in ihrem Bestseller “Die Wasserwaage” warum gleichere Gesellschaften besser dran seien. Ihre These: Je ungleicher die Einkommen verteilt sind, desto mehr gesundheitliche und soziale Probleme haben die Bewohner eines Landes. Ob früher Tod, schlechte Ausbildung, Gewalt, Drogen, Fettleibigkeit, psychische Leiden oder verlorenes Vertrauen. All das könne sich eine Gesellschaft ersparen, wenn sie für gleicher verteilte Einkommen sorgt.
In ihren Studien gehen die skandinavischen Staaten und Japan als Idealbild hervor, am schlechtesten schneiden die USA und Großbritannien ab. Indien wurde nicht berücksichtigt. Wahrscheinlich ist der oben beschriebene Zusammenhang für „emerging markets“ nicht nachweisbar.

Im Widerspruch zu den Theorien von Wilkinson und Pickett behaupten die Anhänger der freien Marktwirtschaft, dass ungleiche Gesellschaften mehr wirtschaftliche Dynamik entwickeln. Und nur in einer dynamischen Volkswirtschaft wird Reichtum (für alle) geschaffen, der dann auch (mehr oder weniger gerecht) verteilt werden kann. Indien braucht (im Gegensatz zu Europa) noch Wachstum. Wahrscheinlich ist eine ungleiche Gesellschaft für „emerging markets“ sogar besser als eine ohne Klassenunterschiede
.

Grotesker-weise transformierte die kommunistische Regierung die Gesellschaft Chinas, in der alle gleich arm waren, in eine Gesellschaft der Klassenunterschiede (Arm & Reich) aber initiierte damit das größte Wirtschaftswunder, das die Welt jemals gesehen hat . Im Gegensatz  dazu strebten die Gründungsväter der indischen Republik das Kastenwesen abzuschaffen und eine klassenlose sozialistische Gesellschaftsordnung einzuführen. Das ist ihnen bis heute nicht gelungen, profitieren aber seit der Liberalisierung 1991 von den hunderten Millionen Ambitionen und Träumen nach Fortschritt, Konsum, Status und Reichtum.

Auf die Reihenfolge kommt es an
Versucht die Regierung aber Ungleichheiten zu beseitigen BEVOR sich eine Wettbewerbs-Dynamik entwickelt, werden weder Jobs, Einkommen noch Wohlstand geschaffen. Nachzulesen beispielsweise in der Wirtschaftsgeschichte Ostdeutschlands oder Kubas.
In der Wirtschaftsgeschichte waren Perioden starken Wachstums immer gekennzeichnet mit vorübergehend steigender Ungleichheit – zum Beispiel während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Sobald die Wirtschaft aber mal ein gewisses Niveau erreicht hat, muss die Regierung dafür sorgen die Ungleichheiten zu minimieren, um das soziale Sprengpotential zu entschärfen.

Am Beispiel Indien scheinen die Kapitalisten (vorerst mal) recht zu behalten. Die ungleiche Gesellschaft schuf, nach den entsprechenden wirtschaftspolitischen Reformen vor zwanzig Jahren, eine Volkswirtschaft von unglaublicher Dynamik. Wer in den letzten Jahren in Indien war, wird vom Unternehmergeist, der Geschwindigkeit und Dimension der Wirtschaft überwältigt sein. Kein Wunder, dass viele Inder wieder aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien (wohl die beiden kapitalistischen Staaten der Welt) wieder in ihre alte Heimat zurückkehren um dort Firmen zu gründen oder Karriere zu machen. Im neuen Land der unbegrenzten Möglichkeiten liegt heute das Geld auf der Straße – ein Eldorado für die ambitionierte und status- orientierte Mittelklasse Indiens.

Egal ob man dieser Theorie etwas abgewinnen kann, oder nicht. Fakt ist: Indien hat, kulturell bedingt, eine extrem ungleiche Gesellschaft und wird dadurch in den kommenden 20 Jahren eine enorme unternehmerische Dynamik sowie nachhaltiges Wachstum erzielen. Aufgabe der indischen Regierung ist es “inclusive growth” zu ermöglichen, die Ungleichheit zu nützen und Leistung zu fördern und fordern. Jeder soll am Wachstum teilhaben und sich sein Stück vom Kuchen verdienen. Im Optimal-Fall schafft die Congress-Regierung faire Wettbewerbsbedingungen für alle Bürger und verzichtet in Zukunft auf ihren Populismus und Kauf von Wählerstimmen in Form von staatlichen Sozialtransfers, Korruption und „Reservations“, die weder die Armut mindern noch zu Leistung motivieren.

(Wolfgang Bergthaler)

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