Indien wählt: Einblicke und Ausblicke

Indien wählt ab heute ein neues Parlament und dürften dabei für einen Machtwechsel an der Spitze des Subkontinents sorgen. Die Abstimmung in der größten Demokratie der Welt dauert bis zum 12. Mai. 815 Millionen Menschen sind zur Abstimmung aufgerufen
. Seit der vorangegangenen Wahl 2009 hat sich die Zahl der Wahlberechtigten um 100 Millionen erhöht. Der Abstimmungstermin in den einzelnen Wahlkreisen hängt von äußeren Faktoren ab wie Hitze, Monsunregen, Erntezeiten, religiösen Festen und Schulprüfungen.  Deswegen wird an neun verschiedenen Tagen abgestimmt. Mit dem Ergebnis wird am 16. Mai gerechnet.

Das Wahlergebnis in Indien vorherzusagen ist genauso schwierig wie das Wetter auf einem ganzen Kontinent. Dazu ist das Land zu heterogen und zu groß. In jedem Bundesstaat gibt es andere Dynamiken, andere Parteien und natürlich andere Bevölkerungsgruppen. Die übergeordneten landesweiten Themen sind jedenfalls Korruption, Inflation und die Belebung der Wirtschaft. Aber mehr als alles andere dominieren Frust und Unzufriedenheit – aber das ist eigentlich zu keiner Zeit anders.

Die Mitte-Links Regierung (geführt von der Kongress-Partei), die seit zehn Jahren im Amt ist, macht jedenfalls schon länger einen müden Eindruck und scheint die Wahl jetzt schon abgeschrieben zu haben. Sie hat nicht mal einen offiziellen Kandidaten für das Amt des Premier-Ministers. Ihr Spitzenmann ist Rahul Gandhi, 43, Sohn des ehemaligen Regierungschef Rajiv Gandhi, Enkel der Regierungschefin Indira Gandhi und Urenkel von Republik-Gründer Jawaharlal Nehru, führt die Partei als Art Teamleiter in die Wahl. An ihn als Führungsfigur glaubt weder die eigene Partei noch  das Wahlvolk. Er ist einfach der legitime Erbe der Gandhi-Nehru-Dynastie und erfüllt offensichtlich sein Dharma. Einige Wahlumfragen prognostizieren, dass die Kongresspartei so schlecht abschneiden wird wie nie zuvor in der Parteigeschichte. Sie könnte mehr als die Hälfte ihrer Sitze verlieren.

Umfragen sehen die größte Oppositionspartei, die hindu-nationalistische BJP, unter der Führung von Narendra Modi klar in Führung. Viele Menschen wollen einen Politikwechsel und trauen dem Ministerpräsidenten von Gujarat am ehesten zu die Korruption zu bekämpfen und die Wirtschaft zu entfesseln. Modi profitiert von der großen Zahl der Protestwähler aus dem Mittelstand.

Die große Unbekannte bei der Wahl ist die junge Antikorruptionspartei AAP mit Frontman Arvind Kejriwal, die auch gegen die Verflechtung von Wirtschaft und Politik kämpft. Als Partei der Anarchisten bringt sie zwar frischen Wind in die Politik, gilt aber als unerfahren und wenig verlässlich.

Unwahrscheinlich ist, dass eine Partei/Gruppierung eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze erreicht. Eine Koalitionsregierung zu bilden stellt – bei all den verfeindeten Parteien – eine Herkules-Aufgabe dar. Daher kommen den rund 60 Regional- und Splitterparteien eine Schlüsselrolle bei der Koalitionsbildung zu, inbesondere drei schillernde Politikerinnen, die als derzeitige oder ehemalige Ministerpräsidentinnen ihrer Bundesstaaten sehr beliebt sind: Mamata Baerjee aus Westbengalen, J. Jayalalithaa aus Tamil Nadu und Mayawati Kumari aus Uttar Pradesh. Alles hängt laut Analysten nun von der Stärke der BJP ab. Kommt sie auf weit über 200 der 543 Sitze, dürften viele der kleinen Parteien ohne größere Zugeständnisse zu einer Koalition bereit sein. Schneidet die BJP aber schwächer ab als gedacht, dürfte Narendra Modi wackeln und es kommt möglicherweise zu einer Minderheitenregierung mit Ablaufdatum.

Einen tollen Artikel zu den Hintergründen, zum Ablauf und der Ausgangssituation finden Sie im BBC-Artikel India election: World’s biggest voting event explained

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Beitrag veröffentlicht

von

Wolfgang Bergthaler