Mumbai als Finanzzentrum bald irrelevant?

Mumbai (früher Bombay) gilt seit gut 100 Jahren als Indiens Financial Capital. Die Metropole am Arabischen Meer ist nicht nur Zentrum für Import und Export, sondern vor allem auch Handelsplatz und Heimat für so gut wie alle Banken und Finanzdienstleister des aufstrebenden Schwellenlandes. Bereits seit 1875 rollt an der Bombay Stock Exchange (BSE) die Rupie, was sie zur ältesten Börse Asiens macht. Dort werden heute die Aktien von etwa 3.500 Unternehmen gehandelt. Mumbai wurde zum New York Indiens, die Stadt die niemals schläft, auch das Geld nicht.

Das könnte sich aber bald ändern. Denn derzeit entsteht vor den Toren Ahmedabads, der Hauptstadt von Gujarat, ein ganz neuer Stadtteil: die Gujarat International Finance Tech-City (GIFT): ein Business-Distrikt inklusive Bildungseinrichtungen, Wohnanlagen, Hotels, Kongress- und Messezentrum, sowie Infrastruktur für Unterhaltung und Freizeit, Technologieparks für Hi-Tech Unternehmen, Malls aber auch eine Börse. Diese Sonderwirtschaftszone soll Finanz- und Technologie-Unternehmen aus ganz Indien anlocken, vor allem aus Mumbai, aber auch Bangalore, Pune und Gurgaon.

Der dynamische und nicht unumstrittene Ministerpräsident von Gujarat Narendra Modi hat Mumbai mit diesem Projekt den Kampf angesagt. Er will das Geld in seinen Staat zurück holen, das seine Landsleute, die äußerst geschäftstüchtigen Gujaratis, seit Jahrzehnten in Mumbai investierten und erwirtschaften. Sie sind es nämlich, die den Reichtum, Wohlstand und die Entwicklung Mumbais maßgeblich zu verantworten haben. Die meisten der erfolgreichsten Unternehmer, Bänker und Händler in Mumbai sind aus Gujarat, leben aber in der Metropole Mumbai.

Nun soll in den kommenden Jahren in Ahmedabad auf acht Quadratkilometern ein Finanzzentrum von internationaler Bedeutung errichtet werden
. Die Projektentwickler wollen dort globale Maßstäbe setzen was Infrastruktur, öffentlicher Verkehr, Kommunikationsnetzwerke, Sicherheit und Lebensqualität betrifft. Und das sind genau die Punkte, die Mumbai seit zwanzig Jahren nicht lösen konnte. Die Infrastruktur der Mega-City ist desaströs, der öffentliche Verkehr eine Zumutung und die Sicherheit durch den politischen Einfluss der Shiv Sena und ihrer Mafia nicht immer gewährleistet. Außerdem zählen die Immobilienpreise Mumbais zu den höchsten der Welt. In Summe ein schlechter Deal für alle, die dort leben und arbeiten (müssen). Die Lebensqualität und ist einer Finanzmetropole von internationalem Rand nicht würdig.

Sollte nun in Ahmedabad ein internationaler Finanz- und Handelsplatz entstehen, werden die Gujaratis nicht zwei Mal überlegen und in ihre Heimat zurück kehren, und damit auch ihr Vermögen und Geschäftssinn. Dort erwarten sie die beste Infrastruktur Indiens, viel Umland für die Stadtentwicklung, günstige Arbeitskräfte, vernünftige Immobilienpreise und angenehmeres Wetter. Das wird sich positiv auf die Produktivität und Renditen auswirken. Letztendlich ist Gujarat aber auch ihre kulturelle Heimat. Warum sollten sie in einem desolaten Mumbai wirtschaften, wenn ihnen nun auch ihre Heimat das beste Umfeld Indien bietet.

Es kann nicht mehr lange dauern bis in Ahmedabad die Post abgeht. Die Gujarat International Finance Tech-City (GIFT) entsteht bereits, der Flughafen wird zum International Airport, die ersten Unternehmen siedeln sich an. So hat die ICICI Bank entschieden ihr Head-Quarter für Westindien in Ahmedabad zu eröffnen, was nicht weniger als 30.000 Jobs schafft.

Jetzt kann es auf ganz schnell gehen und in Mumbai zu einem Kollaps kommen – so wie immer wenn die großen Investoren auf einmal ihr Geld aus den Markt nehmen und woanders investieren. Ohne Gujaratis wird in Mumbai nicht mehr viel laufen: Denn sie beherrschen den Handel und das Finanzgeschäft. Neben den Banken werden auch Unternehmen aus anderen Branchen die Arbeitsplätze nach Gujarat verlagern. Denn Gujarat verfügt über eine Reihe an leistungsstarken modernen Häfen und setzt stark auf Industrieproduktion und Engineering. Der Finanz- und Handelsplatz Mumbai wird dadurch schnell irrelevant. Ohne der wirtschaftlichen Dynamik, fehlenden Investoren und versiegenden Steuereinnahmen wird Mumbai möglicherweise innerhalb von zehn Jahren vom Wachstumsmotor zum Armenhaus.

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von

Wolfgang Bergthaler

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