Welcome to Modistan (Kommentar von Wolfgang Bergthaler)

Nach drei phantastischen Wochen in der Hauptstadt Delhi machten wir uns am Freitag Abend auf Richtung Mumbai. Weil wir noch zu einer Hochzeit eingeladen waren, machten wir für zwei Tage in Gujarat Halt.

Gujarat wird in Indien wie auch im Ausland als der Vorzeigestaat gehyped. Der Bundesstaat im Nordwesten verfügt über beträchtliche Öl- und Gasvorkommen, eine Fülle von Bodenschätzen und starke industrielle Basis. Gujarat trägt 35% zur Petrochemischen Industrie Indiens, 41% zur Chemie-, 26% der Pharmazie- und 25% zur Textilproduktion Indiens bei. Die Wirtschaft wächst seit Jahren deutlich zweistellig. In Gujarat befinden sich nicht nur die größten Produktionsstandorte der indischen Industrie-Giganten Tata und Reliance Industries, Gujarat kann auch die höchsten Investments ausländischer Konzerne auf sich verbuchen. Egal ob aus Japan, USA oder Europa, im „Germany of India“ siedeln sich jedes Jahr hunderte Produktions-Unternehmen an. Mit Hilfe der Regierung entstehen Industrie-Cluster (insbesondere Chemie, Automotive & Engineering) sowie neue urbane Siedlungen, wie sonst nirgends in Indien. Ahmedabad gilt als eine der schnellst-wachsenden Städte der Welt. Außerdem entspricht die Infrastruktur (zumindest auf weiten Strecken) internationalen Standards, insbesondere Häfen und Autobahnen. Aber auch die Strom- und Wasserversorgung erreicht alle (!) Bewohner des Bundesstaates. Korruption soll es hier nicht geben.

Klingt eher nach Deutschland als Indien. Aber Narendra Modi, seit 2001 Chief Minister von Gujarat, macht es möglich. Obwohl er für „schwere Verletzungen der Religionsfreiheit“ verantwortlich gemacht wird (er ließ 2002 den Anti-Muslimischen Mob gewähren, dem 790 Moslems zum Opfer fielen), wird er nicht nur im eigenen Bundesstaat gefeiert. Er führt den Staat wie ein Unternehmen: Strategisch, Kennzahlen-orientiert, Kunden (=Unternehmer)-orientiert, effizient, mit stringenter Verwaltung und klaren Verantwortungen. Jeder der ein Problem hat, soll bei ihm einen persönlichen Termin bekommen. Wenn es um viel Geld geht, innerhalb von Stunden, sonst zumindest innerhalb von Wochen. Klingt stark nach Populismus und Landesfürstentum – Jörg Haider und Erwin Pröll lassen grüßen
.

Aber der wirtschaftliche Erfolg seines Staates gibt ihm Recht und damit reichlich Wählerstimmen. Kein Landesfürst sitzt so fest im Sattel wie Modi, keiner hat eine so treue Fangemeinde. In seiner Partei, der BJP (alias Hindu-Nationalisten), zählt er zu den wichtigsten Figuren – auf ihm Ruhen die Hoffnungen der größten Oppositionspartei. Bei der nächsten Wahl tritt Modi wahrscheinlich an, um Premierminister Indiens zu werden. Ob ihm das gelingt ist mehr als fraglich. Zu stark polarisiert er. Er mag eine wirtschafts-freundliche Politik machen, aber nationale Integrationsfigur ist er keine für das Land, wo letztendlich jeder einer Minderheit angehört.

In Gujarat ist er jedenfalls unfehlbar, wird als „größer Führer“ gefeiert. Seinen Staat führt er nach chinesischem Vorbild: autoritär, autokratisch, „top-down“ und „law-and-order“. Er gilt als Fan des chinesischen Modells und versucht dieses für seinen Bundesstaat zu duplizieren – eine Art kapitalistische Autokratie basierend auf den Produktions-Sektor, mit Hilfe von staatliche Subventionen und massiver Infrastruktur-Entwicklung und Urbanisierung.

Egal wie man zu Modi und seinem Modell „Gujarat“ auch stehen mag, wirtschaftlich hat er seinen Staat an die absolute Spitze geführt, viele Probleme gelöst und einen Standortkampf innerhalb Indiens ausgelöst. Gujarat hat die „Vorteile“ von Indien und China kombiniert und ist ein Modell, das vielen in Indien als Inspiration und „Role Model“ dient.

(Wolfgang Bergthaler)

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