Indische Mittelständler auf Einkaufstour in Europa

Inder kaufen seit jeher gerne in Europa ein: die aufstrebende städtische Mittelklasse Konsum- und Luxusgüter; Unternehmen Maschinen und Anlagen (am liebsten „Made in Germany“) – seit kurzem aber auch Firmen und Beteiligungen.

Die Wirtschaftskrise hat europäische (und amerikanische) Unternehmen stark unter Druck gebracht. In Indien hat sich das Wirtschaftswachstum kurzfristig auf etwa 6% verlangsamt, ist aber schon wieder auf Kurs Richtung 9%. Indische Unternehmer nützen derzeit die Gunst der Stunde für Akquisitionen in Europa und profitieren von

  • ihren relativ hohen Eigenkapitalquoten und Bargeldreserven,
  • der finanziell immer noch angespannten Lage und dem Kapitalbedarf der europäischen Firmen sowie
  • dem günstigen Euro-Rupie Wechselkurs, der sich in den letzten 9 Monaten um über 20% zu Gunsten der indischen Währung verändert hat.

In letzter Zeit konnte man eine deutliche Zunahme der M&A-Aktivitäten des indischen Mittelstands (KMUs) feststellen. Sie folgen den Spuren der großen indischen Konzerne, die mit Mega-Akquisitionen in Europa für Aufsehen gesorgt haben: Tata, Birla, Mittal, Suzlon, Dr. Reddy’s Labs etc.

Aus indischer Perspektive sind folgende Branchen von besonderem Interesse: Automobilindustrie, Biotechnologie, Pharmaindustrie, Chemie, Telekommunikation und (erneuerbare) Energien sowie neuerdings auch Konsumgüter. Seit Januar 2010 wurden bereits 40 Outbound-Deals registriert (meist in der Höhe von USD 15 bis 50 Millionen) – etwa gleich viel wie im gesamten Jahr 2009. In die Medien schaffte es aber bloß die 10 Milliarden Dollar-Übernahme von Zain Africa durch den größten indischen Telekommunikationskonzern Bharti Airtel
.

Deutschland ist mittlerweile zum wichtigsten europäischen Investitionszielland für indische Unternehmen geworden. Neben Technologietransfer und Synergie-Effekte wollen die indischen Unternehmer durch Übernahmen und Joint Ventures einen neuen Absatzmarkt für ihre Produkte erschließen. Der Schwerpunkt verschiebt sich also von der Technik in Richtung Vertrieb – unter anderem weil indische Innovationen Europäischen ebenbürtig, wenn nicht sogar voraus sind. Auf beiden Seiten handelt es sich meist um Eigentümer-geführte Unternehmen. Ihnen geht es vor allem um langfristige Perspektiven, nachhaltiges Wachstum und effiziente Investments.

In Österreich gab es in den letzte fünf Jahren 7 Übernahmen/Investments indischer Unternehmen. Unter anderem hält Bajaj Auto Ltd aktuell 30% der Aktien der KTM Power Sports AG. Mit 700 Outlets ist „Cafe Coffee Day“ Indiens größte Kaffeehauskette. In Wien betreibt der Konzern vier Shops, derzeit der einzige Standort außerhalb Indiens.  (Wolfgang Bergthaler)

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Wolfgang Bergthaler

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