Marktsondierung: Market Intelligence durch Geschäftsreise nach Indien

Mittlerweile bin ich schon seit mehr als acht Jahren in Indien aktiv. Dass ich den indischen Markt und seine Kunden völlig verstanden hätte, könnte ich jedoch nicht behaupten. Ich lerne jeden Tag dazu und würde mir nie anmaßen, schon alles zu wissen. Daher kann ich mir vorstellen, wie schwer es meinen Kunden in den ersten Monaten fallen muss, sich in Indien zurecht zu finden und die jeweils richtigen Schlüsse zu ziehen und Entscheidungen zu treffen. Eine steile Lernkurve ist essentiell. Ich versuche immer, so viel Wissen wie möglich weiter zu geben. Aber am besten lernt man vor Ort in Indien.

Bevor ich für meine Kunden ein Produkt in Indien vermarkte, unternehme ich deshalb mit dem Management zuerst einmal eine gemeinsame Markt-Sondierungs-Reise nach Indien. Denn wer Indien nicht intensiv gesehen/erlebt hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie anders als hier im Westen Mentalität, Markt und Kunden funktionieren. In einer einwöchigen Reise organisiere ich ein intensives Programm mit dutzenden Terminen. Dabei geht es darum, dass alle Teilnehmer so viel wie möglich lernen. Würde ich diese Reise alleine unternehmen, um dann in Wien oder München einen ganz und gar detaillierten Bericht zu erstatten, würde trotzdem nicht einmal ein Bruchteil an Wissen und Erkenntnis bei meinen Kunden ankommen. Nur direkt vor Ort kann dem Indien-Marketer vieles was ihm/ihr vorher unverständlich oder verborgen war, auf einmal glasklar werden und er/sie kann ein Verständnis für Indien und seinen Markt bekommen.

Ein Monat vor der Abreise definieren wir im Projektteam die gemeinsamen Recherche-Ziele und identifizieren alle relevanten Stakeholder(gruppen), mit denen wir vor Ort Gespräche führen wollen: potentielle Ziel-Kunden, Lieferanten, erste Partner, Branchenexperten, potentielle Repräsentanten, Investoren, Produzenten, Agenturen, Ämter, Multiplikatoren, Konkurrenten etc. Für jede Stakeholder-Gruppe vereinbare ich entsprechend den Anforderungen zwei bis vier Gesprächstermine. Zusätzlich plane ich auch entsprechende Lokalaugenscheine, wo wir uns Märkte, Produkte, Geschäfte, Partner, Logistik u.a. ansehen. Bei Bedarf besuchen wir auch relevante Messen, Tagungen und Konferenzen. Dabei kümmere ich mich vollständig um die Organisation, Terminvereinbarungen sowie die gesamte Reiseplanung und Logistik. Je nach Branche und Unternehmen brauche ich ein bis vier Wochen Vorlauf, um mich in den Markt, die Produkte und die Technologie einzuarbeiten und das individuelle Programm zu fixieren.

Wenn alle Termine stehen, reise ich gemeinsam mit dem Management für eine Woche nach Indien, bei Bedarf auch länger. In der Regel reichen aber fünf Arbeitstage aus, um die notwendigen ersten Erkenntnisse zu sammeln. In dieser Zeit besuchen wir meist zwei Städte und führen dort die vereinbarten Gespräche und Beobachtungen. Dabei vertraue ich auf Produkt-Präsentation, Experten-Interviews, Fokusgruppen, Vor-Ort-Recherchen und Konkurrenzbeobachtung
. Natürlich werden alle Ergebnisse und Erkenntnisse von mir dokumentiert und aggregiert.

Diese Phase wird in erster Linie Bewusstsein und Verständnis dafür schaffen, worauf es in Indien ankommt und wo die Knackpunkte liegen. Jetzt lassen sich auch schon erste kreative Lösungsansätze entwickeln. Obwohl man vor Ort schon viele Fragen beantwortet, brechen aber oft ganze neue Problemfelder auf. Oft ist die Konkurrenz-Situation eine andere, als ursprünglich angenommen: es gibt eventuell bereits zahlreiche Substitutions-Produkte zu Kampfpreisen, Logistik- und Wertschöpfungsketten sind fragmentiert, die Infrastruktur ist mangelhaft beziehungsweise gar nicht existent. Zusätzlich sehen Sie sich Korruption und unfairem Wettbewerb gegenüber.

Viele Unternehmen resignieren bereits an diesem Punkt. Sie sehen unter den existierenden Rahmenbedingungen keinen Markt für Ihre derzeitigen Produkte. An diesem Punkt braucht es eine klare GO-Entscheidung und ein eindeutiges Bekenntnis des Top-Managements, den Markt leidenschaftlich zu entwickeln. Denn um das Potential des indischen Markts zu nutzen, muss man entsprechend große Kapazitäten im Unternehmen freistellen.

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Beitrag veröffentlicht

von

Wolfgang Bergthaler

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