Business Idea: Musik-Flatrate für Indien

Indien ist eines der Musik-verrücktesten Länder der Welt. Die Jungen spielen auf ihren Handys rund um die Uhr aktuellste Bollywood-Tunes und internationalen Pop auf und ab. Die ältere Generation steht auf ihre Evergreens aus der indischen Film-Geschichte, regionale Schnulzen sowie Devotional Songs. Musik gehört jedenfalls zum indischen Alltag wie Koriander und Chili zum indischen Essen.

Der Markt

Obwohl im Jahre 2010 lediglich USD 159 Millionen mit Musik umgesetzt wurden, ist Indien dennoch ein Milliardenmarkt. Der Grund dafür ist, dass der größte Teil der Umsätze der Filmindustrie zugerechnet wird und nicht direkt der Musikindustrie. Überraschenderweise spielt in Indien der digitale Musikverkauf mit 34 Prozent Marktanteil bereits eine größere Rolle als in Deutschland. Grund dafür ist der Verkauf von Ringtones, der in Indien noch immer extrem populär ist.

Sonst spielt heute die Musik noch auf dem Schwarzmarkt. Kaum jemand kümmert sich um Urheberrechte. Man lädt – völlig ohne Unrechtsbewusstsein (sofern es so etwas in Indien überhaupt gibt) – illegal Musik aus dem Internet um sie dann an alle Freunde und Verwandte weiter zu geben. Er herrschen ähnliche Zustände wie bei uns Ende der 90er Jahre – mit dem Unterschied dass heute die Weitergabe von Musik durch die fast vollständige Verbreitung von Mobiltelefonen und USB-Sticks einen größere Dynamik hat als vor gut zehn Jahren.

Aber jeder Markt reift mit der Zeit. Durch die rasch steigende Penetration von Smartphones in Kombination mit der Etablierung attraktiver legaler Musikservices wird in Indien in den kommenden Jahren eine gigantische Nachfrage nach digitaler Musik entstehen.

Competitive Landscape

Neben dem illegalen Download gibt es bereits folgende Services, die in Indien digitale Musik legal und einigermaßen benutzerfreundlich anbieten:

Bei gaana.com und saavn.com kann man seine indischen Lieblingssongs bereits über das Internet streamen. Beide Angebote sind werbefinanziert und mit diesem Geschäftsmodell längerfristig wirtschaftlich wohl nicht nachhaltig. Auch Google experimentiert schon länger in Indien mit ähnlichen Modellen
. Und YouTube ist sowieso eines der populärsten Services am Subkontinent.

Vor wenigen Wochen ist Indiens größtes Online-Versandhaus Flipkart mit seinem Service Flyte (http://www.flipkart.com/mp3-downloads) in den digitalen Musik-Vertrieb eingestiegen. Ganz im Amazon-Stil kann man hier auch Songs im MP3-Format downloaden. Der Dienst punktet durch seine attraktive Preisgestaltung (Songs ab 6 Rupien – etwa 10 Cent). Seit ein paar Tagen ist Indiens größter Musik-Verleger saregama.com mit seinem Internet-Shop online. Apple’s iTunes spielt in Indien so gut wie keine Rolle.

Produkt, Service und seine Indien-spezifischen Eigenschaften

International erobern gerade Spotify & Co mit ihren Streaming-Flatrates den globalen Musikmarkt. Heute lautet das Motto: „Besser Zugang zu 100% Musik, als der Besitz von 0,01% Musik“. Cloud-Computing, Breitband & Mobile-Technologien machen es möglich. Monatlich 5 oder 10 Euro für das persönliche 24×7 Musik-Abo klingt nach einem fast unglaublichen Deal für jeden Musik-Liebhaber. Und davon gibt es viele in Indien.

Daher bin ich überzeugt davon, dass ein Streaming Dienst in Indien langfristig ein Marktpotential hat, der international Seinesgleichen sucht. Aber bis es soweit ist, sind noch einige Probleme zu lösen. Diese liegen im Bereich der Infrastruktur (geringe Bandbreite), der Penetration von Breitband und UMTS sowie im Bereich der Payment-Collection.

Der indische Markt ist ein so genannter Mobile-first Markt. Für die meisten Inder ist das Mobiltelefon das primäre (und oft einzige) Gerät. Die meisten haben gar keinen PC (mit Internet-Anschluss) sondern lediglich ein Handy, immer öfter auch ein Smartphone – in den kommenden fünf Jahren bis zu 350 Millionen. Derzeit gibt es in Indien aber noch keine 15 Millionen Festnetz-Breitband-Anschlüsse, aber dafür setzt sich Breitband über das mobile Internet durch. Ein Musik-Service für Indien muss daher unbedingt auf mobile Usage zugeschnitten sein – vom Produkt sowie vom Pricing. Im Idealfall gäbe es auch Software für sog. Feature-Phones, die Musik optimiert auch ggf auch über eine GPRS-Verbindung streamen kann. Geringe Bandbreite und Low-Tech Handsets werden die nächsten Jahre immer noch die limitierenden Faktoren sein.

Neben den technischen Herausforderungen liegt die Crux bei der Ver- & Abrechnung der Kunden. Kreditkarten und Online-Payment hinken in Indien noch extrem hinterher und sind somit nicht massentauglich. Da die Telekom-Provider aber unverschämt hohe Umsatzbeteiligungen (bis 75%) verlangen, ist Operator Billing in Indien keine Option. Man könnte sich stattdessen aber eines Agent-Netzwerkes bedienen, bei denen man sich monatlich seine Musik-Flatrate freischaltet. Genau so wie heute schon 600 Millionen Inder ihre Prepaid-Gesprächsguthaben beim Händler ums Eck aufladen.

Wenn wir schon vom Geld reden, müssen wir auch über den Preis reden. Auch wenn 5 bis 10 Euro pro Monat für die indische Mittelklasse absolut erschwinglich wäre, wird es in Indien einen Kampfpreis brauchen um die Massen für das Service zu begeistern. Denn in Indien gilt für jedes Geschäft: kleine Marge, aber Riesen Volumen. In Summe kommen die gleichen Umsätze und Gewinne zu Stande wie in entwickelten Märkten. 99 Rupien (umgerechnet 1,50 €) pro Monat wäre der Preispunkt bei dem wohl innerhalb weniger Monate 10 Millionen Inder zum streamen und tanzen beginnen.

Marketing & Vertrieb

Sollte ein Musik-Dienst mit den oben definierten Features in Indien launchen, bräuchte man sich über das Marketing keine Sorgen mehr zu machen. Das Produkt wäre so unwiderstehlich, dass es sich viral verbreitet. Word-of-mouth und Empfehlungs-Marketing funktioniert in Indien besser als irgendwo anders.

Wer traut sich?

Ich habe in den letzten Monaten kein indisches Start-up kennen gelernt, das an dieser Idee arbeitet. Wohl zu komplex und zu groß für ein Start-up, das nicht mit wirklich viel Geld ausgestattet ist. Von der Musikindustrie und Lizenzgebern darf man sowieso keine Innovation erwarten. Ich glaube dass der Markt aber prinzipiell reif dafür ist. Jetzt liegt es wohl an den internationalen Playern Spotify & Konsorten Indien anzugehen. Das Investment würde sich mittelfristig mehr als lohnen. Mehr als eine Milliarde Musik-Liebhaber warten auf „Music to go“. Wer traut sich das zu…?

(Wolfgang Bergthaler)

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Wolfgang Bergthaler

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