“Die Inder haben immer einen ‘Plan B’”, Klaus Maier

Im zweiten Teil des Interviews spricht Dipl.-Kaufmann Klaus Maier über die Herausforderungen in Indien, Personalmanagement und was Europäer unternehmerisch von den Indern lernen können. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Maier + Vidorno (M+V) GmbH, einer der führenden europäischen Wegbereiter, wenn es um den Auf- und Ausbau von Service-, Vertriebs- und Produktionsgesellschaften in Indien geht.

IW: Was sind die größten Herausforderungen, die ein europäisches Unternehmen beim Markteintritt in Indien erwartet? Was wird am meisten unterschätzt?

KM: Die Frage nach den Herausforderungen und Stolpersteinen beim Indien-Eintritt wird häufig gestellt – und ein Ranking ist bei der Vielfalt der „Fallen“ schwer aufzustellen. Grundsätzlich sind es bei äußeren Faktoren die schleppende Bürokratie, marode Infrastruktur, die schiere Größe des Subkontinentes und die unterschiedlichen Kulturen und so weiter.
Das heißt aber nicht, dass man in Indien keine Geschäfte machen kann – man muss eben nur wissen, wie das System funktioniert und sich und sein Geschäft entsprechend anpassen. Deswegen hilft beim Markteintritt vor allem Netzwerken und Erfahrungen austauschen. Sich mit so vielen Informationen versorgen wir möglich und mit vielen Menschen sprechen, die Ähnliches schon gemeistert haben. Abgesehen davon stehen viele Unternehmer dem Mehrwert von Dienstleistungen rund um das Thema Markteintritt skeptisch gegenüber. Man ist immer noch versucht, zu viele Dinge selbst in die Hand zu nehmen, auch wenn die entsprechende Erfahrung fehlt. Hier hilft ein gut investierter Euro häufig viele Tausend zu sparen!

IW: Bezüglich Personal: Ein Irrglaube ist, dass Mitarbeiter in Indien sehr günstig sind. In Wahrheit herrscht Fachkräftemangel, entsprechend teuer sind Leistungsträger. Wie finden/motivieren/halten Sie Ihre Mitarbeiter?

KM: In Indien herrscht ein großer Wettbewerb auf den Arbeitsmarkt – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Gute Köpfe zu finden ist die eine Sache: Mit einem genau definierten Qualifikations- und Aufgabenprofil und Wissen um kulturelle Eigenheiten bedienen wir uns Recruitment Methoden, Headhunting oder des eigenen Netzwerkes.
Die guten Köpfe auch behalten ist schon eine andere Herausforderung in einem Land, wo jeder stetig auf der Suche nach Verbesserung ist. Auch bei uns gibt es Fluktuation. Grundsätzlich muss man aber zwischen gewollter und ungewollter Fluktuation unterscheiden. Als Motivation ist das Gehalt natürlich ein wichtiger Faktor, aber sicherlich nicht der entscheidende. Gute Mitarbeiter sind mitunter bereit finanzielle Einbussen hinzunehmen, wenn die beruflichen Herausforderungen im Unternehmen und der Stellenwert des Unternehmens in der Industrie stimmen. Unsere Mitarbeiter sind sehr ehrgeizig, deshalb ist es mir sehr wichtig zu zeigen, wo die Reise hingehen soll und weitere Karriereperspektiven zu ebnen
. Allerdings ist hierzu bedingungsloses Wachstum ein absolutes Muss. Mitarbeiter kehren einem Unternehmen sehr schnell den Rücken zu, wenn das Wachstum stagniert oder sich negativ entwickelt.
Ansonsten sind vor allem weiche Motivationsfaktoren wichtig. Wir legen Wert darauf, eine freundschaftliche und familiäre Arbeitsatmosphäre zu schaffen. In Indien geht Geschäftliches und Privates sowieso Hand in Hand – wir Deutsche oder Österreicher trennen das ja gerne. Company-outings, Firmenfeiern zu den Festtagen, Geburtstagen, Poojas und so weiter machen Spaß und stärken den Teamgeist. Im letzten Jahr waren Firmen-Yoga-Kurs und ein Diwali M+V Talent-Kontest die Highlights. Fantastisch zu sehen, was sonst noch so in unseren Mitarbeitern steckt.

IW: „Getting things done“ ist immer eine Herausforderung in Indien. Was ist Ihr Management-Mantra?

KM: „Wer kein Ziel hat, kann auch keines erreichen“. Ich bin immer wieder überrascht – oder erschreckt – wie planlos Europäer nach Indien kommen, ihre Produkte schicken, ohne eigentlich genau zu wissen, wo sie hin wollen. Ein Ziel zu definieren, darauf hinzuarbeiten, und es vor allem vor lauter verwirrenden Einflüssen nicht aus den Augen zu verlieren – das ist in Indien der Schlüssel zum Erfolg. Fundierte Entscheidungen treffen anstatt dem Bauchgefühl zu folgen und dann hartnäckig Dranbleiben ist also die Devise.

IW: Führen Sie Ihr Team in Indien indisch (hierarchisch, personenbezogen, pragmatisch, spezialisiert) oder deutsch (Team-orientiert, sachbezogen, perfektionistisch, fachübergreifend)?

Klaus Maier
Klaus Maier

KM: Personalführung in Indien ist ein schwieriges, aber erlernbares Thema – und vor allem macht es Spaß. In unserer Führungsriege wird sehr zielorientiert gearbeitet. Trotzdem versuchen wir, auch konkrete Umsetzungen zu diskutieren und Zeitpläne festzulegen. Motivation funktioniert auch viel über Zielerreichung und Anerkennung in der Gruppe.
Hierarchien kann und sollte man in Indien aber nicht übergehen – sonst bricht bald das absolute Chaos aus. Dann fühlt sich der Eine übergangen, der Andere nicht zuständig und der Dritte wartet erstmal lieber ab. Mit der Zeit lernt man, wo genaue personenbezogene Anweisungen nötig und wo sachbezogene Diskussionen besser sind. Zügel loslassen ist aber grundsätzlich schwierig – deswegen bleibt Kontrolle ein unerlässliches Thema.

IW: Was können/müssen die Österreicher/Deutsche von den Indern unternehmerisch lernen?

KM: Inder sind unglaublich anpassungsfähig und flexibel und haben immer einen Plan B parat. Beim kurzfristigen Trouble shooting können wir uns noch eine gehörige Portion Stressresistenz abschneiden.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie Gruppendynamik und Chaostheorie in Indien funktionieren. In Indien kann und muss man lernen, trotz Komplexität einen Überblick zu bewahren, also Ordnung ins scheinbar völlige Chaos zu bringen – und gut dosiert zu delegieren.
Sicherlich hilft uns eine gute Prise Humor und ein ehrliches Interesse und gutes Gefühl für das Gegenüber im Leben immer weiter.

IW: Vielen Dank für Ihre interessanten Einblicke.

(Interviewer: Wolfgang Bergthaler)

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Wolfgang Bergthaler

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