Interview mit einem indischen Unternehmer in Wien: Über Entrepreneurship und kulturelle Gemeinsamkeiten

Siby Thomas ist einer der wenigen in Österreich lebenden Inder, der sich als Unternehmer in seiner neuen Heimat eine bemerkenswerte Existenz schaffen konnte. Er ist Eigentümer und Geschäftsführer der MITACS Telekomservice GmbH in Wien und zählt zu den führenden österreichischen Festnetz- & Mobilfunkbetreibern. Seit September bietet seine Firma, die kommendes Jahr das 10-jährige Bestehen feiert, mit www.RelaxCall.com eine neue integrierte Plattform, die kostengünstige Telefonie ins Ausland anbietet, egal ob vom Handy, Festnetz oder Computer.

IW: Herr Thomas, Ihrem Namen nach sind Sie aus Kerala. Wann und warum kamen Sie nach Österreich?
ST: Ich kam im Jahr 1987, nach meinem Universitätsabschluss. Ich hätte ursprünglich die Österreich-Expansion für ein anderes Unternehmen vorantreiben sollen.

IW: Wann haben Sie sich entschlossen, selbstständig zu werden?
ST: Aus strategischen Gründen kam es nicht zum besagten Job. Ich bin aber trotzdem in Österreich geblieben, arbeitete zwei Jahre in einem Reisebüro und ab 1991 für die Royal Jordanian Airlines. 1998 stieg ich in die Telekommunikationsbranche ein, wurde ein Jahr später selbständig und gründete im Jahr 2001 schließlich MITACS Telekomservice GmbH. Das war kurz nach der Liberalisierung & Privatisierung der Branche und sehr spannend. Ich nutzte diese Geschäftsmöglichkeit um zu tun, was ich immer schon wollte – Unternehmer sein.

IW: Wie sieht Ihre Firma heute, 9 Jahre nach der Gründung, aus?
ST: Heute ist MITACS ein Full-Telecom Service-Anbieter in Österreich, aber auch mit Vertriebs-Kanälen im Ausland, einschließlich Mobiltelefonie unter dem Namen YouTalk.

IW: Ich habe oft den Eindruck, dass Inder bessere und vor allem passioniertere Geschäftsleute sind als Österreicher, selbstständig und härter arbeiten. Liegt das wirklich in Ihrer Kultur?
ST: In Indien muss jeder für sein tägliches Brot arbeiten. Ein zu viel an staatlicher sozialer Absicherung könnte für den Unternehmergeist kontraproduktiv wirken. Außerdem ist in Indien “hart zu arbeiten” ein wichtiger Wert unserer Kultur.

IW: Ich kenne viele erfolgreiche Unternehmer in Indien, jedoch nur wenige, die es in Österreich geschafft haben eine Firma hochziehen. Ist Wien ein schwieriges Pflaster für indische Gründer?
ST: Man muss natürlich das System hier verstehen und ein gutes Produkt haben. Beides war bei mir gegeben – der Start trotzdem hart. Ich bekam keine staatliche Unterstützung, finanzieller oder anderer Art. Österreich bietet sehr gute soziale Sicherheit, bin mir aber nicht sicher, dass auch Geschäftsleute und Selbständige ausreichend unterstützt und motiviert werden.

IW: Was können die Österreicher von den Indern unternehmerisch lernen?
ST: Größer zu denken! Die Welt ist etwas größer als Österreich.

IW: Sie sind auch abseits Ihrer Branche sehr interessiert an neuen Geschäftsideen. In welchen Bereichen sehen Sie die größten Chancen zwischen Österreich und Indien?
ST: Österreichische Nischentechnologien, vor allem im Bereich Infrastruktur und Energie, sind für Indien interessant. Hoch qualifizierte IT-Services aus Indien wiederum interessant für österreichische Firmen.

IW: Sie sprechen von IT. Ist Outsourcing noch ein Thema? Da ist ja die Sprache oft ein Hindernis und der Kostenvorteil nicht mehr so groß wie früher!
ST: Ja, die Sprache kann ein Problem sein. Aber mittlerweile wird Englisch auch in Österreich immer gebräuchlicher. Um Kommunikationsprobleme bei Outsourcing-Projekten vorzubeugen ist es notwendig eine Person vor Ort zu haben, die beide Sprachen beherrscht, die des Kunden und die des Outsourcing Teams; aber auch kommunikativ, technisch versiert und in der Organisation Top ist. Ich glaube, dass Outsourcing (oder anders gesagt eine Zusammenarbeit mit Indien) in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Vor allem weil auf Europa ein massiver Fachkräftemangel zukommt.

IW: Sie haben 15 Mitarbeiter unterschiedlicher Herkunft in Wien und managen ein Outsourcing-Team in Indien. Wie kommunizieren Sie mit den unterschiedlichen Mitarbeitern?
ST: Es gibt keine interkulturellen Probleme in meiner Firma. Ich behandle all meine Mitarbeiter gleich und genieße die Harmonie in meinem Büro.

IW: Letzte Woche konnte die FPÖ bei den Gemeinderatswahlen mit ausländerfeindlichen Parolen fast 26% erreichen. Sie sind sozial integriert, schaffen Arbeitsplätze in Österreich, zahlen genug Steuern, pflegen aber auch Ihre Kultur. Was würden Sie Herrn Strache entgegnen?
ST: Ich weiß nicht viel über die Politik. Für mich gibt es jedenfalls keinen Unterschied zwischen Ausländer und Inländer. In den vergangenen Jahrhunderten hat sich die politische Landkarte oft geändert
. Menschen haben sich durch alle Kontinente bewegt. Dadurch sind Ausländer Inländern geworden und Inländer zu Ausländern. Ich möchte die Leute zusammen bringen und dass jeder mit jedem kommuniziert – im echten Leben genauso wie mit meinen Telekommunikations-Lösungen.


(Siby Thomas mit Interviewer Wolfgang Bergthaler)

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Wolfgang Bergthaler

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